Idun, Göttin der Verjüngung


Der Goldbaum

©Ravena

 

Als die Menschen noch glücklich waren, satt und zufrieden und es ihnen an nichts mangelte, da fand einer einen Samen tief im Wald, verborgen in einer Höhle.

 

Daheim pflanzte er den Samen ein und wartete einige Monde. Eines Morgens wurde er wach und aus dem Samen war ein Busch herangewachsen - dieser trug goldene Zapfen.

 

Schnell ließ er alsbald einen Schatzmeister kommen. Der prüfte das Gold auf dessen Echtheit und gratulierte dem Jüngling zu seinem Gewinn.

 

Es mangelte ihm fortan an nichts und ein Jahr lebte er mit seiner Frau und seinen Kindern glücklich und zufrieden.

 

Im nächsten Jahr fielen lauter neue Samen aus den Goldzapfen und so reichte er diese an seine Freunde, Verwandten und Bekannten weiter und auch diese taten es ihm in jedem Jahr gleich.

So zogen viele Jahre ins Land und man lebte glücklich. Solange bis jeder solch Goldbaum besaß und das ganze Gold nichts mehr wert war.

Da zog der Jüngling zu seinen Freunden, Verwandten und Bekannten und schalt sie, warum sie auch hätten die Samen weiterverschenken müssen.


Doch diese ließen nicht mit sich reden und schlugen ihm ihrerseits die Tür vor der Nase zu. Selbst waren sie ängstlich, ob sie sich nun noch etwas leisten konnten und die große Frage war: "Wohin sollten sie mit dem vielen Gold?" Es wurde von Jahr zu Jahr mehr und mehr und in den Hütten und Häusern fand man keinen Platz, um all die Zapfen aufzubewahren.

 

So kam es, dass viele begannen, die Zapfen zu verbrennen.

Ein in Lumpen gekleideter Alter bot sich, durch die Straßen ziehend, an, die Leute von ihrer Last zu befreien.

Alles sammelte er ein. Alles, so viel er nur tragen konnte. Davon baute er sich ein Schloss und wurde reich. Die Samen aber, die gingen den Leuten aus. Und auch die Bäume trugen kein Gold mehr. So lebten sie wieder bitterarm, wie einige Jahre zuvor.

 

Der in Lumpen Gekleidete aber, wurde König über das Land und regierte die Armen hart und ungerecht.

 

Der Streit unter den Menschen, die erst so viel hatten und nun nichts mehr, wurde immer größer und größer. Man bekriegte sich untereinander, man verfeindete sich und stahl und raubte, wo und was man nur konnte.

 

So wurde der Jüngling ganz traurig und fasste sich sein Herz.

"Ach", sprach er zu seiner Frau, "ach, ich werde fortziehen, bis ich das Unglück, welches ich über euch brachte zu lindern weiß. Dann erst will ich wiederkommen".

Kaum hatte er es ausgesprochen, ging er zur Tür hinaus und verschwand im tiefen Wald.

 

Als er ein wenig gewandert war, sah er etwas in der Ferne aufblitzen. Vorsichtig näherte er sich dem ungewöhnlichen Schein und traf auf eine Frau, die da hockte am See. Und wie sie so saß, da summte sie ein Lied und hielt eine rotbackige Kugel vor sich, wusch sie und wollte hineinbeißen, als sie plötzlich den Jüngling in ihrer Nähe bemerkte.

 

"Gute Frau, was habt ihr da Wunderliches?", fragte der Jüngling erstaunt. Nie zuvor hatte er etwas so fremdartiges, aber doch wunderschönes gesehen.

 

Die Frau wog bedächtig die Kugel in den Händen hin und her und murmelte:

"Es ist Heil und Wunder. Liebesmacht wohnt ihr inne. Wer sie besitzt kann damit alles pflanzen, was gut ist. Er muss es nur anzuwenden wissen."

 

"Was ist es, und wie komme ich an die Kugel heran?"

 

"Oh", murmelte die Frau. "Es ist die Einzige ihrer Art und ich wollte sie gerade essen".

 

"Wenn sie doch aber so viel Hoffnung bringt und derart Zaubermacht hat, dann wäre es etwas für mich. Hoffnung, ja, das könnte ich wohl gebrauchen."

 

Seufzend blickte der Jüngling zu Boden und wollte weiterziehen, da rief die Frau hinter ihm her:

 

"Ich lasse sie Dir. Du kannst sie mit Deiner Familie teilen. Pflanze ein, was in ihr steckt und pflege und hüte die Stecklinge, wie Dein Auge. Wenn Du recht anzuwenden weißt und jeden materiellen Gewinn ausser acht lässt, dann wird sie sich vermehren und es wird bald zu Millionen von ihr geben."

 

Der Jüngling erschrak, denn er erinnerte sich an den Goldbaum, der sich auch vermehrte und nur Unglück gebracht hatte.

 

"Nein, nein", sprach die Frau milde lächelnd. "Solch eine düstere Macht hat sie nun nicht! Sie ist nichts für die Ewigkeit und doch schafft sie sich für diese. Sie erzielt keinen Gewinn und dennoch bringt sie diesen. Reich wird man mit ihr nicht, aber reich wird man doch..."

 

"Was redest Du denn da?", antwortete der Jüngling barsch. "Was sollen diese widersprüchlichen Worte?"

 

Doch statt einer Antwort, öffnete sie ihm die Hände, tat die rote Kugel hinein und ward im nächsten Augenblick verschwunden.

 

Der Jüngling aber tat, trotz großer Zweifel, wie sie ihm geraten. Ein  Jahr später wuchsen aus den Samen Bäume und ein weiteres Jahr darauf, trugen sie rote Früchte. Seine Kinder, die davon aßen wurden gesund. Er konnte die Früchte verkaufen, so viele wurden es. Und bald wuchsen überall auf der Erde diese wunderlichen Bäume mit den roten Kugeln daran.

 

Der Streit um das Gold war fast vergessen, die Menschen beschenkten sich gegenseitig mit diesen Früchten. Gar, wenn einer krank wurde, oder wenn jemand seine unausgesprochene Zuneigung ausdrücken wollte.

 

Als Zeichen der Liebe wurde die rote Frucht heilig und kostbarer, als die Zapfen des Goldbaumes.

Und auch wenn bis heute beide noch existieren, so ist die wundersame, rote, kugelige Frucht die ungekrönte Herrscherin über die Welt.

 


Der Apfelbaum

 

Der Apfel an sich gilt als heilige Frucht, er trägt symbolhaft die Aspekte der Fruchtbarkeit und des ewigen (verjüngenden) Lebens in sich.

In der germanischen Mythologie wachsen im Garten der Göttin Idun, der Göttin der ewigen Jugend goldene Äpfel. Diese lässt sie fortwährend den Göttinnen und Göttern in Asgard zukommen, damit diese sie zum Erhalt ihrer ewigen Jugend verzehren können.

 

Aus der christlichen Bibel wissen wir, dass die Frucht des Apfelbaumes als Erkenntnisfrucht gilt. Hier wird die Schlange mit ihr assoziiert, die wir heute mit Heilung und Gesundheit in Verbindung bringen. Heilende, gesundbringende Erkenntnis, so könnte man es (auch) sehen, denn nur wer fähig ist, zu erkennen, was ihm fehlt, kann sich selbst heilen und gesunden.

 

Im Märchen der Holle, wird der Baum der Äpfel geschüttelt, ein Bezug zu unserer Göttin Frigg. Der Apfelbaum ruft dem Mädchen zu: "Ach schüttel mich, schüttel mich, meine Äpfel sind schon lange reif!" Es ist ein Teil der Arbeiten die das Mädchen verrichten muss, um zu Frau Holle und damit zu ihrem neuen Leben zu gelangen. Auch hier geht es wieder um Leben, eher aber um das Leben, wie man es vor hat, zu gestalten und auszufüllen. Das faule Mädchen hat ebenso die Wahl, doch diese lehnt ab und wird entsprechend mit einem anderen Leben belohnt, als sie es sich wünschte.

 

Die Reife der Äpfel im Märchen von Frau Holle, steht hier nicht nur für eine äußerliche, sondern auch für eine innerliche Bereitschaft, zu reifen.

 

In einem anderem Märchen, dem des Schneewittchens, stirbt die Schöne, an einem Stück vergifteten Apfels. Doch stirbt sie nicht wirklich, sondern erfährt praktisch durch den "Tod", der hier für den Schamanentod stehen könnte, ein: "Das Schlafende muss erwachen!" Ein Ent-wicklungsprozess steht der Schönen bevor, der sie, gleichsam, wie schon den beiden Mädchen in Frau Holle zu einem anderen Lebensweg führt.

 

Der Apfel ist eine Frucht der Ernte und kann somit im Kern dem :ingwaz: und der Erntezeit, stellvertretend durch :jera: zugeordnet werden. Weitere Aspekte der Frucht sind ein hoher Anteil an Fruchtwasser :laguz: , der Frucht der Erkenntnis, ensprechend dem :dagaz: (welcher ja auch für den TAG steht, den Tagesanbruch, dem "jungen" und Unverdorbenenem). :berkana: als weibliche Fruchtbarkeit.

 

Im medizinischen Bereich stellt sie eine Heilwirkung für den Magen und Darmtrakt dar und ist sowohl gegen Durchfallerkrankungen, als auch für Verstopfungen mit heilsamer Wirkung bekannt.

 

Auch die griechische Mythologie kennt eine Geschichte zum Apfelbaum:

 

In einem schönen Garten der Hesperiden stand ein wundersamer Baum mit goldenen Äpfeln. Gaia ließ ihn zu Ehren der Vermählung zwischen Hera und ihrem Gatten Zeus wachsen. Auch hier verliehen die Früchte den Göttern ewige Jugend. Diesen Baum bewachte ein Drache, namens Ladon und nur Herakles war in der Lage, die Äpfel vom Baum zu stehlen. Mit Hilfe einer List überredete er Atlas (den Vater der Hesperiden), die Äpfel für ihn zu pflücken, da er sie vorgeblich für die Erfüllung seiner zwölf Aufgaben benötige. Eurystheus jedoch, dem Herkales die Äpfel übergab, gab diese weiter an Athene, welche die Äpfel zurück an ihren Platz legte.

 

Kinder besonders lieben diese Früchte, sei es als getrunken Saft oder in seiner Urfrucht. Und so ist es nicht ungewöhnlich, dass ausgerechnet der Apfel so viele Kindergeschichten, Lieder und Reimformen begleitet. Kinder untermauern selbst das Zeugnis einer seiner Hauptaspekte: die der ewigen Jugend.

 

Aus einem Volkslied aus dem 19. Jhdt.:

 

In meinem kleinen Apfel

 

In meinem kleinen Apfel,

da sieht es lustig aus:

Es sind darin fünf Stübchen,

grad wie in einem Haus.

 

In jedem Stübchen wohnen,

zwei Kernchen, schwarz und fein.

Die liegen drin und träumen,

vom lieben Sonnenschein.

 

Sie träumen auch noch weiter,

gar einen schönen Traum.

Wie sie einst werden hängen,

am lieben Weihnachtsbaum.